
Bergsteigen im Iran – Damavand
17/09/2020„Oh weißer Dämon mit Füßen im Band,
Oh Kuppel der Welt, oh du Damāwand
Auf deinem Haupt trägst du einen Helm aus Silber
Und einen Gürtel aus eiserner Einöde
Um dein Gesicht vor den Menschen zu schützen
hast Du dich in Wolken versteckt“
Mohammad-Taqi Bahār
Der Iran gehört nicht zu den gängigsten Zielen für Besucher aus Europa. Zu unsicher erscheint aktuell die Situation nach den innen- und außenpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre. Das ist vor allem dahingehend schade, da eine Reise in das Land im Nahen Osten jeden mit seiner Natur und Kultur beeindrucken wird. Ein besonderes Ziel für Alpinisten ist der höchste Berg des Elbursgebirges (Nein, nicht Elbrus), der Damavand. Wie aus dem Gedicht des persischen Literaten Mohammad-Taqi Bahar bildlich herauszulesen, steht der Damavand mit seiner Höhe von rund 5600 Metern allein auf weiter Flur. Seine Dominanz endet erst am Elbrus im Kaukasus. Da der Damavand ein wenn auch schlafender Vulkan ist, hüllt er neben Wolken sein Haupt auch in Rauch.
Tourensteckbrief
Schwierigkeiten: Großteils Gehgelände
Gehzeiten: Tal – Basislager 4 Stunden, circa 1300hm. Basislager – Damavand 4 bis 6 Stunden, 1600 hm. Abstieg 3 Stunden. |
Anforderungen
Technisch stellt der Damavand mit seinen rund 5600 Metern Höhe (Angaben variieren) für routinierte Bergsteiger keine große Schwierigkeit dar. Das Terrain ist fast durchgängig Gehgelände. Dennoch sollte die Tour seriös geplant und durchgeführt werden. Vielen, die sich an die Besteigung machen, bleibt der Gipfel verwehrt, was an unzureichender Vorbereitung oder Ausrüstung liegt. Die wohl abstruseste Begegnung für uns war ein junger Mann mit Aktentasche.
Je nach Jahreszeit muss am Gipfel mit Schnee gerechnet werden. Aufgrund der Höhe können die Temperaturen auch im Sommer unter den Nullpunkt fallen. Voraussetzung ist eine solide Grundkondition. Am Gipfeltag müssen 1600 Höhenmeter bewältigt werden. Absolutes Muss ist eine angemessene Akklimatisierung.
Ausrüstung muss nur bedingt mitgeführt werden. Je nach Jahreszeit sollte man sich für Temperaturstürze vorbereiten. Die Nächte im Basislager kühlen deutlich ab und können die 0°-Marke erreichen. Je nach Wind muss man mit noch kälteren Temperaturen am Gipfel rechnen. Weite Strecken, sicher aber bis zum Basislager, können mit Zustiegsschuhen begangen werden. Wichtig ist vor allem, aufgrund der Hitze im unteren Bereich und später wegen der Höhe, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
Je nach Gusto ist der höchste Berg des iranischen Elbursgebirge als Ski- oder auch als Bergtour machbar. Unsere Reisezeit war der August, insbesondere wegen der hohen Temperaturen in niedrigen Gefilden nicht ganz optimal. Vierzig Grad und mehr sind im Sommer normal.
Zeitplanung (Ohne Anreise / Kulturprogramm)
Tag 1 | Aufstieg zur Shirparla-Hütte auf circa 2700m (rund 1000hm von Teheran) |
Tag 2 | Aufstieg Tochal auf 3964m. Abstieg und Rückfahrt über Teheran nach |
Tag 3 | Anfahrt und Aufstieg zum Basislager auf circa 4000m |
Tag 4 | Akklimatisierung. Aufstieg auf rund 4500m, Nachmittag im Basislager |
Tag 5 | Gipfeltag. 03:30 Wecken, Anstieg ab 04:30. Abstieg und Nachmittag im Basecamp |
Tag 6 | Abstieg ins Tal und Rückfahrt nach Teheran |
Wir haben unsere Tour mit der lokalen Agentur „atouradventure“ geplant. Anders als über internationale Anbieter blieben so die Preise moderat und wir waren insgesamt sehr zufrieden. Eine Planung auf „eigene Faust“ ist aber natürlich möglich. Vereinzelt haben wir ausländische Touristen getroffen, die unabhängig unterwegs waren.
Zur Akklimatisierung stand für uns der Tochal mit seinen knapp 4000 Metern auf dem Programm. Ob auf Fotografien bei Google oder Panoramaaufnahmen in Ben Afflecks „Argo“: Der Berg prägt die Szenerie Teherans. Der Ausblick auf die iranische Hauptstadt lässt erst hier deren Ausdehnung erahnen. Durch seine unmittelbare Nähe zur Stadt ist er quasi der Hausberg der Metropole und somit auch das stete Ziel von Einheimischen.
Mit dem Auto/Taxi kommt man problemlos bis zum Fuß des Tochal. Der Beginn ist durch schattige Täler und Schluchten geprägt, in der sich viele Lokalitäten finden lassen, in denen die Teheraner ihre Freizeit verbringen. Der über der Baumgrenze moderat ansteigende Weg bis zur Hütte sollte entweder vormittags oder in den späten Nachmittagsstunden angegangen werden. Aufgrund der Südlage werden ansonsten die Temperaturen im Sommer unnötig zur Belastung. Der Abend bietet einen schönen Ausblick auf das nächtliche Teheran.
Der Aufstieg auf den Tochal ist eine einfache Gehstrecke. Auch hier bietet sich ein früher Aufbruch an, um die Mittagshitze zu vermeiden. Im Abstieg gibt es die Möglichkeit, eine auch im Sommer geöffnete Skigondel zu nutzen.
Auf der Hütte wie auf dem Gipfel sind wir mit einigen Iranern in Kontakt gekommen. Als westlicher Tourist ist man insbesondere in den Bergen noch keine Alltäglichkeit und man wird oft freundlich angesprochen. Nach einem kurzen Austausch wurden wir auf allerlei kleine Snacks, von Nüssen über Wassermelone bis Datteln eingeladen. Eine Kleinigkeit zum Tausch wäre uns hier nützlich gewesen. Unsere Müsliriegel waren dafür leider nicht geeignet.
Unser allgemeiner Eindruck war, dass man im Iran auf eine noch sehr unverbrauchte Freundlichkeit und Interesse gegenüber Fremden trifft. Egal ob am Berg oder in der Stadt, ohne eine Spur von Aufdringlichkeit wurden wir in kleine Gespräche verwickelt, aus denen wir aber auch umgehend, wenn wir weiter wollten, mit den besten Wünschen entlassen wurden. Viele Iraner sprechen, unserer Erfahrung nach, gutes Englisch.
Nach einer Nacht in einem Vorort von Teheran ging es mit einem Jeep zum Ausgangspunkt zum Aufstieg auf den Damavand. Für Unabhängige ist ein Transport hierhin zu empfehlen. Die Gehstrecke aus dem Tal nimmt sicher einen Tag in Anspruch. Der Aufstieg zum Basislager ist eine einfache Gehstrecke. Die Höhe macht sich jedoch zunehmend bemerkbar. Auf 4000m findet man eine kleine Zeltstadt vor. Allein ist man am Damavand nicht. Toiletten befinden sich an der Hütte. Die Wasserversorgung vor Ort ist problematisch. Das vorhandene Wasser, das in Tonnen aufgefangen wird, erschien für uns wenig vertrauenserweckend. Soweit möglich, sollte von unabhängigen Planern ein eigener Wasservorrat mitgebracht werden.
Was Mohammad-Taqi Bahar mit dem „Gürtel eiserner Einöde“ meinen könnte, wird einem beim Beginn des Gipfelanstiegs klar. Um 04:00 starteten wir vom Basislager auf einem staubigen Geröllpfad. Rund 1600 Höhenmeter sind zu bewältigen und das Terrain verändert sich bis zum Gipfel kaum. Erst gegen Ende stößt man auf kleine Eisfelder und der Geruch von Schwefel wird deutlicher. Unser Bergführer war am Aufstiegstag bezüglich dieser Schwefelschwaden besorgt. Ohne Wind können diese zur Gefahr werden. Wenn wir folglich auch nur kurz am Gipfel verweilt haben, konnten wir eine beeindruckende Aussicht auf das Elbursgebirge bis zum Kaspischen Meer bestaunen.
Der Abstieg erfolgt auf dem Aufstiegsweg. Wer die beträchtliche Anzahl an Höhenmetern ins Tal nicht scheut, kann dies auch noch am selben Tag bewältigen.
Für erfahrene Alpinisten stellt die Tour technisch keine große Herausforderung dar. Der Reiz liegt in der Erfahrung einer gänzlich anderen Bergwelt, als sie sich uns in den Alpen bietet und der Möglichkeit, neben dem Berg- auch den Kulturraum Iran zu entdecken. All das zusammen hat es für uns zu einer eindrucksvollen Reise gemacht.
Khoda hafez, Iran!