
Kaufberatung Kletterschuhe – Auf die Größe kommt es an …
25/06/2018Groß und breit oder doch lieber klein und eng? Damen und Herren des vertikalen Sports stellen sich diese Frage immer wieder. Am Ende kommt es auf die persönlichen Vorlieben an und wie viel man spüren will. Auch die Frage, ob ohne Socke besser ist, steht häufig im Raum. Natürlich reden wir hier von der richtigen Kletterschuhgröße.
Wir klären auf und geben Tipps, wie du die richtige Kletterschuhgröße für deinen Schuh, dich, deinen Fuß und deine Anforderungen findest.
Grundsätzlich werden Kletterschuhe relativ eng getragen, sodass der Fuß sicher im Schuh steckt. Aber wie eng muss es wirklich sein?

Je enger der Kletterschuh, desto besser die Performance? Mythos oder Wahrheit? (Foto: ocun.com)
Je nach Hersteller können sich die Kletterschuhgrößen stark unterscheiden. Beispielsweise fallen Kletterschuhe von Five Ten oder Evolv relativ klein aus, wohingegen man bei Scarpa und La Sportiva ein paar Größen abziehen muss. Der Plaisirkletterer möchte lieber einen bequemeren Schuh, um länger schmerzfrei im Schuh bleiben zu können, während der Boulderfreak die volle Performance eines knallengen Schuhs bevorzugt. Das Kletterkönnen spielt dabei auch eine große Rolle. Ein Einsteiger, der mit größeren Tritten verwöhnt wird, braucht keinen extrem engen Schuh, den aber der Profi bevorzugen würde.
Damit du dich im Größendschungel nicht verirrst, haben wir bei jedem Modell eine Größenempfehlung abgegeben, je nachdem welche Anforderungen du an den Schuh stellst. Eingeteilt in die Kategorien Komfort, Performance und Highperformance findest du so die richtige Größe für deinen Schuh.
Grundsätzlich abhängig vom Schuhmodell gilt:
- Komfort: Die Größenempfehlung, wenn man es länger im Schuh aushalten will. Präzises Hooken oder optimale Kraftübertragung auf kleinere Tritte sollte man allerdings nicht erwarten.
- Performance: Für etwas mehr Feingefühl beim Stehen und Hooken. Man nutzt die Qualitäten des Schuhs aus, ohne ihn nach 5 Minuten sofort ausziehen zu müssen.
- Highperformance: Schuhe in der Einsteigerkategorie können präziser genutzt werden und Freaks holen aus einem Spitzenschuh das Maximum an Performance heraus. Allerdings sollte man an enge Schuhe gewöhnt sein bzw. eine gewisse Schmerzresistenz mitbringen. In der Regel bleibt der Schuh nie besonders lang an den Füßen.
Im Detail ist die Größenempfehlung natürlich an die Schuhkategorie und den Einsatzzweck angepasst:
- Einsteiger und Plaisirkletterer:

Ein solider Allround-Kletterschuh und perfekt für den Einstieger: der Red Chili Durango
Im Komfortbereich sitzt der Schuh sehr locker. Das ist ideal für Neueinsteiger, die an enge Kletterschuhe noch nicht gewöhnt sind. Die Zehen liegen flach im Schuh ohne schmerzhaft verformt zu werden. Große Tritte können somit lange bequem getreten werden.
Im Performancebereich sitzt der Schuh schon etwas enger, sodass man sich auch an etwas kleinere Tritte wagen kann, ohne dass der Schuh gleich abrutscht. Reibungstritte können problemlos getreten werden und einfache Hooks sind ebenfalls möglich.
Highperformance in dieser Schuhkategorie bedeutet, dass der Schuh eng am Fuß sitzt und die Zehen eventuell schon aufgestellt in der Zehenbox stecken. Kleinere Tritte in Plaisirrouten oder Hooks, ohne dass der Schuh sofort vom Fuß rutscht, stellen kein Problem dar.
- Ambitioniert:

Ambitionierte Kletterer aufgepasst: Der Scarpa Instinct VS ist die ideale Waffe für schwere senkrechte sowie überhängende Routen und Boulder.
Der Komfortbereich in dieser Kategorie erlaubt es, einen solchen Schuh auch zum Plaisirklettern zu verwenden. Man hält es ohne Probleme länger im Schuh aus, allerdings darf man nicht erwarten, die volle Performance des Schuhs abzurufen. Je nach Modell können die Zehen schon leicht aufgestellt in der Zehenbox stecken.
Im Performancebereich stecken die Zehen meist aufgestellt in der Zehenbox. Es ist kein Problem, präzise anzutreten oder Hooks zu platzieren, ohne dass die Ferse aus dem Schuh rutscht. Je nach Fußanpassung kann man den Schuh auch mal länger während der Bouldersession anbehalten oder lange Routen bezwingen.
Im Highperformancebereich wird der Fuß recht eng in den Schuh gequetscht. Die Zehen sind aufgestellt in der Zehenbox und der bei einigen Modellen vorhandene Downturn entfaltet seine volle Wirkung. Sichere Hooks und kleine Tritte sind kein Problem. Reibungstritte werden je nach Schuhmodell eventuell schwierig.
Ein angepasster Fuß und etwas Schmerzresistenz schaden nicht, in jedem Fall zieht man den Schuh aber spätestens nach einem Versuch im Boulder oder der Route wieder aus.
- Schuhe der Kategorie Freak (Extreme):

Ein revolutionärer Kletterschuh, speziell entwickelt für die extremen Anforderungen beim Bouldern, ist der La Sportiva Solution.
Bei diesen Modellen von Komfort zu sprechen, trifft nur für angepasste Füße zu. Die Schuhe haben meist eine extreme Vorspannung und von Haus aus aufgestellte Zehen. Im Komfortbereich hält man es zwar länger in diesem Schuh aus, allerdings gehen die Raffinessen dieser Modelle etwas verloren. Optimale Kraftübertragung kann man nicht erwarten. Außerdem wird aus solch einem Modell auch kein Reibungskletterschuh oder gemütlicher Anfängerschuh. Man muss zudem damit rechnen, dass auch ein Hook mal rutschen kann.
Im Performancebereich können Schuhe dieser Kategorie ihre vollen Raffinessen ausspielen. Der Schuh sitzt eng am Fuß, die Zehen sind aufgestellt und Hooks können sicher gesetzt werden. Optimale Kraftübertragung auf die Schuhspitze für kleine Tritte oder steiles Gelände sind damit möglich. Ideal also für schwere Boulder oder Sportkletterrouten, bei denen man den Schuh sofort nach dem Versuch wieder auszieht.
Highperformance bei extremen Schuhen verlangen eine außerordentliche Fußanpassung bzw. Schmerzresistenz. Allerdings kann man wohl kaum mehr Leistung aus einem Schuh herausholen. Gerade am Anfang, wenn der Schuh noch nicht eingetragen ist, ist das Tragegefühl möglicherweise etwas unangenehm. Dafür kann man kleinste Tritte treten und komplizierteste Hooks an die Wand bringen. Fazit: Für Versuche in schweren Projekten, die richtige Wahl, sofern man die Schuhe regelmäßig auszieht.
- Reibungskletterei
Schuhe, die für diese Spielart des Kletterns geeignet sind, haben meist wenig Vorspannung. Sofern der Schuh nicht zu eng gewählt wird, können die Zehen gut ausweichen und eine größere Fläche des Schuhs kann auf den Reibungstritt gedrückt werden. Es empfiehlt sich also für den Einsatz auf Reibungsplatten eine Größe im Komfort- oder maximal Performancebereich zu wählen.
- Kleine Tritte und steiles Gelände
Optimale Kraftübertragung auf kleine Tritte erreicht man eher mit engeren Schuhen. Je nach Schuhtyp wählt man hier lieber die Performance- oder Highperformancegröße.
- Hooks
Damit der Fuß bei Hooks sicher im Schuh bleibt und nicht herausrutscht, sollte der Schuh eng genug gewählt werden. Je nach Anforderung wählt man hier die Größe mindestens im Performance- oder Highperformancebereich.

Ob´s am Schuh liegt? Dieser Hook hält bombenfest!
Vor der Größenwahl sollte man allerdings schon einiges beachten:
- Das Schuhmodell aus der richtigen Kategorie:
Finde zuerst das passende Schuhmodell für dich, deine Anforderungen und dein Können. Als Freak nützt dir auch ein knallenger Einsteigerschuh wenig. Als Einsteiger den Schuh für Freaks zwei Nummern zu groß zu nehmen, hilft auch nichts. Die Beratung zum passenden Modell findest du hier:
https://www.verticalextreme.de/kletterausruestung/kletterschuhe/#kaufberatung
- Dehnung abhängig von Material und Schnitt:
Abhängig von Material und Schnitt können sich Kletterschuhe nach mehrmaligem Gebrauch noch dehnen. Im schlimmsten Fall wird der Highperformance-Schuh zum Hausschuh oder die erwartete Dehnung bleibt aus und man leidet unter Fußschmerzen. Schuhe aus Leder dehnen sich in der Regel stärker als Schuhe aus Kunstleder oder Microfaser. Ist ein Schuh stark quervernäht oder mit Gummi für Hooks und Toehooks ummantelt, wird die Dehnung auch etwas reduziert. Detailinfos dazu finden sich in unseren Testberichten.
- Fußform:
Jeder Fuß ist individuell und passt besser oder schlechter in einen bestimmten Schuh. Was der eine als den perfekt sitzenden Schuh bezeichnet, kann für den anderen ein Alptraum sein. Am Ende muss man den Schuh anprobieren. Passt er im Performancebereich schon sehr gut, kann man sich auch an die Highperformancegröße wagen. Schmerzt der Schuh schon in der Komfortgröße, greift man besser zu einem anderen Modell.
Der wichtigste Einfluss auf die Passform ist die Fußbreite. Hat man einen breiten Fuß, wird man nie bequem mit einem schmalen Schuh klettern können. Ist der Schuh breit bei einem schmalen Fuß, besteht die Gefahr, dass sich der Schuh um den Fuß dreht, sobald man seitlich antritt. Während Five Ten und La Sportiva meist eher schmal ausfallen, bietet Boreal eher einen breiten Leisten. Alles andere liegt irgendwo dazwischen und ist von Modell zu Modell unterschiedlich.
Die Zehenform kann ebenfalls ausschlaggebend dafür sein, ob ein Schuh passt. Dabei unterscheidet man zwischen der ägyptischen, römischen und griechischen Zehenform. Bei der ägyptischen Zehenform steht der große Zeh am weitesten nach vorne, der Reihe nach gefolgt von den anderen Zehen. Ein asymmetrischer Leisten passt hier meist am besten. Bei der römischen Zehenform ragen großer Zeh und die zweite Zehe gleich lang nach vorne. Auch damit wählt man am besten einen asymmetrischen Leisten. Mit der griechischen Zehenform, bei der die zweite Zehe am weitesten nach vorne ragt, greift man am besten zu einem symmetrischen Leisten. Bei langjährigem Tragen von Kletterschuhen, passt sich der Fuß am Ende sowieso an die Schuhform an.

Jeder Fuß ist individuell. Kletterschuhe also am besten immer anprobieren!
Wer einen hervorstehenden Ballenknochen hat (sog. Hallux Vagus) fährt mit einem extremeren Schuh besser. Schuhe mit hoher Vorspannung wirken dem Hallux Vagus etwas entgegen und unterstützen den Fuß.
- Tageszeit und Jahreszeit:
Abends und bei höheren Temperaturen sind die Füße geschwollener als morgens oder im kalten Winter. Dies sollte man beim Anprobieren bedenken.
- Probieren geht über studieren:
Ein Patentrezept für die Kletterschuh- und Größenwahl gibt es leider nicht. Man kann zwar eine Vorauswahl treffen, am Ende muss man den Schuh aber anprobieren.
- Mit oder ohne Socken?
Ein Richtig oder Falsch gibt es auch hier nicht. Manche bevorzugen es, Kletterschuhe mit Socken zu tragen, um den Schweißgeruch zu vermindern. Andere nutzen Nylonsöckchen, um leichter einschlüpfen zu können. Das bessere (Tritt-)Gefühl erhält man – wie schon vermutet – ohne, da eine Schicht weniger zwischen Fuß und Tritt steckt. Wer mietet oder leiht, zieht vielleicht doch besser was drüber ;-).

Ist der perfekte Schuh endlich gefunden, zählt nur noch eins: Ab damit an den Fels oder in die Halle! (Foto: ocun.com)