
Kletterseile – der ultimative Guide zur Pflege
18/07/2018Bis dass der Tod uns scheidet, oder vielleicht doch lieber vorher austauschen?
Das Kletterseil waschen und pflegen und somit die Haltbarkeit maximieren.
Das Kletterseil ist die Lebensversicherung eines Kletterers und schützt im Fall des Falles vor dem unsanften Bodenkontakt. Moderne Kletterseile halten viel aus und haben einige Sicherheitsreserven, doch natürlich sind auch hier schnell Grenzen gesetzt. Wann wird es gefährlich und wann tauscht man das Seil besser aus? Und was kann man tun, um die Lebensdauer eines Seils zu verlängern, wie zum Beispiel das Kletterseil waschen? Antworten zu Sicherheit und Seilpflege werden in diesem Artikel beantwortet.

Ein weiter Sturz beim Sportklettern, kann ein Grund zum Austauschen eines Klettereils sein. (Martin Wagner beim Victoryjump vom Umlenker in Aquilles 7c+, Rodellar)
Lebensdauer Kletterseil
Oft stellt man sich die Frage, wie lange man ein Seil verwenden kann und wann es Zeit wird, es auszutauschen. Die Lebensdauer eines Seiles ist stark vom Gebrauch, dem Umgang und der Pflege des Seils abhängig. Wer ein Kletterseil stark strapaziert oder nicht sorgsam damit umgeht, darf es schnell austauschen. Ein gut gepflegtes Seil kann abhängig von der Häufigkeit der Nutzung recht lange halten. Eine grobe Orientierung gibt folgende Tabelle:
Häufigkeit der Nutzung | Lebensdauer des Kletterseiles |
ständig (fast täglich) | weniger als ein Jahr |
häufig (jede Woche) | bis zu einem Jahr |
regelmäßig (mehrmals pro Monat) | bis zu 3 Jahre |
gelegentlich (ca. einmal pro Monat) | bis zu 5 Jahre |
selten (ein- bis zweimal pro Jahr) | bis zu 7 Jahre |
nie | max. 10 Jahre |
Davon abweichend gibt es allerdings einige Faktoren, welche die Lebensdauer eines Seiles stark verkürzen oder einen sofortigen Tausch notwendig machen…
Gefahren für Kletterseil und Leben:
Hohe Sturzbelastung:
Hersteller raten nach einem extrem harten Sturz mit Sturzfaktor 1 das Seil auszutauschen, da die extremen Belastungen unsichtbare Beschädigungen am Seil verursachen können. Der Sturzfaktor berechnet sich aus der Fallhöhe geteilt durch ausgegebenes Kletterseil bei statischem Fixpunkt, sprich hartem Sichern. (Mehr zum Normsturz im Artikel “Kaufberatung Kletterseile”).
Hohe Sturzbelastungen sind beim Sportklettern aber eher selten – häufig wird ein Sturzfaktor von maximal 0,3-0,4 erreicht. Auch muss man die härteren Sportkletterstürze nicht überbewerten. Wie der Sicherheitsexperte Pit Schubert in „Normprüfung von Bergseilen“ schreibt, sind Seilrisse ohne Scharfkantenkontakt so gut wie unmöglich. Dennoch ist bei harten Stürzen mit hohem Sturzfaktor, wie z.B. ein Sturz vom Standplatz ohne Zwischensicherung oder ein harter Sturz in den ersten Haken, Vorsicht geboten. Wir raten daher lieber früher als später in ein neues Kletterseil zu investieren und besonders die weiteren Anzeichen zu beurteilen.

Kletterseil am Limit – aufgeriebener Seilmantel: der Kern schaut schon heraus.
Verletzter Mantel:
Bei Schäden am Seilmantel gilt Alarmbereitschaft. Sollte bereits der Kern durch den Mantel schauen, Schnittverletzungen sichtbar oder das Seil stark aufgepelzt und knickbar sein, ist es höchste Zeit das Kletterseil zu kürzen oder auszusortieren. Häufig sind die genannten Beschädigungen 2-5 Meter vom Seilende entfernt zu finden, da hier die Belastung auf das Seil beim Ausbouldern oder kleinen Stürzen besonders hoch ist. In diesem Fall reicht es, den beschädigten Teil des Seils abzuschneiden, sofern der Rest des Seils noch in Ordnung ist. Hierbei ist zu beachten, dass die Mittenmarkierung dann nicht mehr stimmt und die verkürzte Seillänge bei langen Routen beachtet werden muss. Ein Knoten am anderen Ende des Seils ist Pflicht! Sind Mantelschäden in der Mitte des Seils oder über das Seil verteilt zu finden, führt kein Weg am Kauf eines neuen Kletterseils vorbei.

Vergleich aufgepelzter Seilmantel und unbeschädigtes Kletterseil
Abrieb:
Felskanten, Seil-auf-Seil-Reibung und scharfe Karabiner am Umlenker oder an den Zwischensicherungen können erhöhten Seilabrieb verursachen. Mit der Zeit pelzt das Seil auf, der Seilmantel wird dünner und fransiger, und Mantelschäden wie oben beschrieben werden schon bei geringeren Belastungen oder schon nach kürzerer Zeit sichtbar. Sofern das Abschneiden der geschädigten Enden nicht mehr reicht oder Schäden in der Seilmitte sichtbar werden, ist ein Austausch des Kletterseils notwendig. Auch wenn sich das Kletterseil vollkommen knicken lässt, ist ein Kürzen oder Austauschen des Seils notwendig.

Alles in Ordnung – das Kletterseil lässt sich nicht vollständig knicken.

Zeit zum Austauschen oder Abschneiden – das Kletterseil lässt sich vollständig knicken.
Schmelzverbrennung:
Ähnlich wie der Abrieb, können Schmelzverbrennungen verursacht werden. Dies passiert am häufigsten bei Stürzen in scharfe Karabiner oder bei schnellem Ablassen über spitze Felskanten oder über scharfe Umlenker. Der Mantel zeigt sich einseitig hart und weist eine Verschmelzung der Mantelgarne auf. Damit büßt das Kletterseil nicht nur die Flexibilität ein, sondern der schützende Mantel ist ernsthaft beschädigt. Je nach Ausmaß der Verbrennung muss das Seil getauscht werden.

Stark abgeschliffener Karabiner mit scharfer Kante.
Verformung/Mantelverschiebung:
Intensives Topropen verursacht häufig größere Mantelverschiebungen, was bis hin zu Verformungen oder Beulen im Mantel führen kann. Die Seilfestigkeit ist dadurch zwar nicht vermindert, allerdings wird das Handling schnell schlechter. Im Extremfall lassen sich Beulen nicht mehr durch die Sicherungsgeräte ziehen oder bauen sich am Umlenkpunkt so auf, dass verstärkt Belastung auf den Mantel kommt. Dies wiederum kann Mantelbeschädigungen und Risse verursachen. Die Wahl eines geeigneten Seiles z.B. mit einer Kern-Mantel-Verbindung bzw. die richtige Verwendung kann diesen Effekt reduzieren.

Kletterseil mit typischem Wulst durch Mantelverschiebung.
Versteifung:
Alterung durch Temperatureinwirkung und UV-Licht sowie Verschmutzung des Seils oder geringe Schmelzverbrennungen können das Seil versteifen. Damit wird nicht nur das Handling schlechter, sondern auch die dynamischen Eigenschaften werden herabgesetzt. Spätestens wenn das Seil zu unflexibel wird und sich Einschränkungen beim Sichern und Klettern ergeben, sollte das Kletterseil ausgetauscht werden.
Hohe Belastung bei Nässe:
Durchnässte Seile, die hohen Belastungen ausgesetzt werden, verlieren an Festigkeit und sollten ersetzt werden. Sofern nass gewordene Seile, die im nassen Zustand keiner harte Belastung ausgesetzt waren, wieder schonend getrocknet werden (nicht in der prallen Sonne), können sie danach wieder uneingeschränkt genutzt werden. Wer eine Nutzung in nassem Terrain plant, sollte unbedingt auf eine entsprechende Imprägnierung achten, damit der Seilkern geschützt bleibt.

Typisches Seilstück, das lange Sonne und Wetter ausgesetzt war.
UV-Strahlung und hohe Temperaturen:
Lange und direkte Sonneneinstrahlung und hohe Temperaturen verspröden das Kletterseil und machen es steif. Die dynamischen Eigenschaften werden dadurch reduziert und das Seil verliert auf die Dauer an Festigkeit und Flexibilität. In diesem Fall führt kein Weg an einem Austausch des Seils vorbei. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht mehr im sonnigen Süden klettern darf, sondern nur, dass man Kletterseile nicht wochenlang in der Sonne liegen und hängen lassen sollte, sondern entsprechend schonend lagert. Wenn das Seil lange im Sand benutzt wurde, sollte man danach das Kletterseil waschen.
Kontakt mit Chemikalien:
Kontakt mit Chemikalien ist in jedem Fall zu vermeiden. Bei Kontakt muss das Kletterseil sofort ausgesondert werden, da die innere Struktur der Seile empfindlich geschädigt wird und schon bei sehr geringen Kräften reißen kann. Besonders bei der Lagerung oder dem Transport sind beispielsweise auslaufende Autobatterien oder Laugen und Säuren eine Gefahr. Spiritus, Benzin, Diesel oder Essigsäure fügen dem Seil keinen großen Schaden zu, sollte aber trotzdem vermieden werden.
Verschmutzung:
Starke Verschmutzungen machen das Seil nicht nur steif und unflexibel, sondern schädigen auch weiteres Sicherungsmaterial. Sofern es sich nur um Dreck und Staub handelt, kann Waschen das Seil retten, in anderen Fällen ist ein Austausch des Kletterseiles anzuraten. Vorbeugend sollte immer ein Seilsack oder eine Seilplane verwendet werden.
Seilpflege und die richtige Verwendung eines Kletterseils:
Wer sein Kletterseil gut pflegt, kann es lange und ohne Sorge benutzen. Der richtige Umgang mit einem Seil schont nicht nur die Kletterausrüstung, sondern ist im Zweifelsfall lebenswichtig. Neben der korrekten Verwendung von Sicherungsgeräten und Knoten gibt es noch ein paar weitere Punkte, die bei der Verwendung eines Kletterseils wichtig sind und Seil und Material schonen. Hier seien beispielhaft nur ein paar aufgeführt:
- Knoten am Seilende, um nicht über das Seilende hinaus abzuseilen.
- Regelmäßiger Sicherheitscheck, um Schädigungen von Mantel und Kern zu erkennen

Seilaufbau: Mantel und Kern eines Kletterseils
- Nicht an scharfgeschliffenen Karabinern klettern, weder an eigenen noch an fixen Karabinern. Kontrolle der Karabiner ist immer anzuraten, da sonst der Mantel beschädigt werden kann.
- Im Freien immer am eigenen Material umlenken (zwei gegenläufige Expresschlingen oder ein Schraubkarabiner) und Topropen. Erst das letzte Abseilen wird am vorhandenen Umlenker gemacht. Damit wird bestehendes Material geschont und ist nicht so schnell scharf.
- Sehr schnelles Abseilen vermeiden, um Verschmelzungen zu vermeiden.
- Nicht über andere Seile oder Schlingen umlenken, da die Kletterseile sonst stark durchgeschliffen werden und reißen können.
- Kletterseil sauber halten, Seilsack oder Seilplane verwenden und regelmäßig das Kletterseil waschen. Staub im Seil wirkt wie Schmirgelpapier und schleift die Karabiner schnell scharf, was Mantelverletzungen verursacht.
- Kletterseil trocken halten oder im Schatten trocknen.
- Seil vor dauerhafter UV-Strahlung und Hitze schützen.
- Kletterseil regelmäßig entkrangeln und durch dem Umlenker ziehen.
- Seilenden wechseln, um eine gleichmäßigere Abnutzung zu erreichen. Bei häufigem Topropeklettern sollte die Seillänge die doppelte Routenlänge nicht stark überschreiten, ansonsten bildet sich ein Mantelwulst in der Mitte des Seils.

Beal Unicore Kletterseile eignen sich gut zum Topropen. (Jeffrey Horvath im “Sandler” 6a, Achleiten).
- Kletterseil richtig aufbewahren (siehe nächster Unterpunkt des Artikels).
- Beschädigte Seilenden kürzen und bei Bedarf Mittenmarkierung anpassen.
- Seile nicht zum Abschleppen oder zum Spannen von Slacklines verwenden, da die Fasern ihre dynamischen Eigenschaften verlieren und geschädigt werden.
- Kletterseile niemals gebraucht kaufen. Die Historie des Seils sollte bekannt sein, da Schäden unbemerkt bleiben können. Kontakt mit Chemikalien oder unsachgemäße Verwendung (z.B. zum Abschleppen) sind oft nicht ersichtlich und bergen ein sehr hohes Sicherheitsrisiko.
- Seile vor Chemikalien fern halten.
Fachgerechte Aufbewahrung eines Kletterseils:
Um ein Seil stets sauber zu halten und vor anderen Einflüssen zu schützen, ist die richtige Aufbewahrung wichtig. Zum Transport empfiehlt sich ein Seilsack, welcher mit Plane auch während der Nutzung des Seils vor Staub und Schmutz schützt. Die Enden können an den vorhandenen Schlaufen verknoten werden, um einen Knoten mitten im Seil zu verhindern bzw. das Seilende zu markieren. Zum Transport oder der Lagerung sollte das Kletterseil nicht aufgenommen werden, sondern lose im Seilsack bleiben. Dies verhindert Krangel im Seil. Die Lagerung erfolgt am besten in einem vor Hitze und direktem Sonnenlicht geschützten und trockenem Raum. Dauerhaftes Lagern im Auto ist gerade im Sommer nicht anzuraten, da das Seil schnell steif wird, sobald es der Hitze ausgesetzt ist. Am besten eignet sich der Keller oder ein Schrank. Auch sollte das Kletterseil nicht hängend gelagert werden, da sonst Belastung auf die immer gleiche Stelle des Seils kommt. Nasse Seile sollten offen langsam getrocknet werden und nicht in feuchtem Zustand im Seilsack verbleiben, da sich sonst Schimmel bilden kann. Kontakt mit Chemikalien ist in jedem Fall zu vermeiden.

Fertig zum Weiterklettern – Kletterseil mit abgeschnittenem Ende.
Kletterseil Abschneiden bzw. kürzen:
Von intensivem Ausbouldern oder kurzen Stürzen ins Seil scheuern die Seilenden häufig auf. Der Mantel ist aufgerieben, der Kern schaut durch oder das Kletterseil lässt sich komplett knicken. Wenn der Rest des Seiles aber noch in Ordnung ist, dann kann man das Seil kürzen und danach weiterverwenden. Man sucht sich also die Stelle am Kletterseil ca. 30cm nach der beschädigten Seilstelle (sofern das Seil dort wieder in Ordnung ist) und schneidet es unter leichtem Zug mit einem geeigneten Messer durch. Nun streicht man den Mantel etwas aus, um Mantelverschiebungen auszugleichen. Nach weiteren 20cm (sofern Mantel und Kern vorhanden sind) umklebt man die Seilstelle straff mit zwei Wicklungen Tape und durchtrennt das Seil unter leichtem Zug an der getapten Stelle mit einem sauberen Schnitt, sodass mind. 1cm Tape am guten Ende verbleibt. Nun wird das Ende noch mit einem Feuerzeug angeschmolzen und zusammengedrückt, um Mantel und Kern zu verbinden. Es empfiehlt sich, dass man die Seilenden immer wieder wechselt, um über die Zeit gleichmäßig von beiden Seiten zu kürzen. Wichtig ist, dass man die verkürzte Seillänge einkalkuliert und auf jeden Fall einen Knoten ins Seilende macht. Ebenfalls zu beachten ist, dass die Mittelmarkierung nicht mehr stimmt und bei Bedarf erneuert werden sollte. Tipps hierzu im nächsten Punkt.
Die Mittenmarkierung im Kletterseil:
Werden Seilenden gekürzt oder ist die Mittenmarkierung nicht mehr sichtbar, ist es sinnvoll die Seilmitte neu zu markieren. Markierungsstifte gibt es von einigen Seilherstellern. Die Hersteller empfehlen für die Seile entsprechend nur die eigenen Stifte zu verwenden, da diese am besten auf das Material angepasst sind. Von der Verwendung von Edding und Co. wird dringend abgeraten, da diese aggressive Chemikalien enthalten können. Natürlich unterscheiden sich die Seilmaterialien nicht wirklich und es können Markierungsstifte aller Seilhersteller für alle Kletterseile verwendet werden.
Kletterseil waschen und reinigen:
Vorbeugend sollte man die Verschmutzung eines Seils verringern, wofür sich Seilplanen bzw. Seilsäcke eignen. Irgendwann kann es aber dennoch Zeit werden, das Kletterseil zu waschen. Schmutz und Staub im Seil reiben nicht nur die Fasern des Seils gegenseitig auf und verschleißen so das Kletterseil, auch die Flexibilität des Seils reduziert sich. Dies ist beim Handling schnell störend und das Seil läuft nicht mehr so geschmeidig durch die Sicherungsgeräte oder Zwischensicherungen. Seilreibung ist die Folge. Auch werden durch Schmutz und Staub die Karabiner schneller abgenutzt und scharf geschliffen. Äußerlicher Dreck und Staub sollte regelmäßig mit einer Seilbürste entfernt werden. Hierzu zieht man die Bürste mehrfach über das trockene Kletterseil.

Kletterseil waschen mit dem Beal Rope Cleaner
Zum Kletterseil waschen nutzt man am besten eine Wanne mit handwarmen Wasser. Schonende Synthetik Waschmittel können genutzt werden, besser ist aber extra dafür vorgesehene Waschmittel zu verwenden. Auch hier kann die Seilbürste nochmals Einsatz finden. Die Waschmaschine im Schongang bei 30°C ist eine Alternative. Allerdings können so leicht Seilkrangel entstehen, weshalb ich davon abrate.
Zum Trocknen des Seiles, das Kletterseil am besten gleichmäßig und locker über einen Wäscheständer auslegen (nicht hängen) oder auf dem Boden ausbreiten. Direkte Sonneneinstrahlung oder Hitze sollte aber in jedem Fall vermieden werden. Vor dem Zusammenpacken zurück in den Seilsack, sollte das Kletterseil vollständig trocken sein, da sich ansonsten Schimmel bilden kann.